Samstag, 11. Oktober 2008

Also sprach der einäugige Prophet



Bevor wir beginnen, die große Geschichte vom einzigen, vom wahren Propheten zu erzählen, sollten wir noch einige Dinge klären, die in unserem Abendland schon in das Blut des Denkens eingegangen sind. Wir sind so fern von dem Gedanken des Propheten, da wir bereits ein systematisches, ordnendes Geblüt besitzen, das alle Welt in den Bannkreis der Begriffe zerren will. Wir werden aber seine Worte nicht im Leisesten verstehen, wenn wir sie denken, denn selbst wenn die Stille uns umgibt, so wettert dort doch noch eine innere Stimme, die alles in Worte transformiert. Mit dieser Stimme sind wir so gewohnt die Dinge beim Namen zu nennen, obwohl wir nicht wissen, was genau diese Namen bezeichnen. Mehr noch wir glauben, wir hätten da Gegenstände im Sinn. Gefühle, Verstand, Liebe, Hass, Freundschaft, Sein, All, Welt, Erde, Tische, Stühle, Geld, sind diese ganzen Dinge real? Nun könnten wir versuchen sie zu ordnen, aber wir würden schon den falschen Weg einschlagen und nicht den Weg des Propheten gehen.

Bleibt uns also nur das Schweigen?

Schauen wir in die überlieferten Schriften des einäugigen Propheten, so mag es andere Wege geben. Das erste mal taucht der Begriff des Schweigens in der übertitelten Geschichte "Vom Guten Meister und den schlechten Menschen" auf:

"Der einäugige Prophet auf seinem Weg durchwanderte alle bekannten Schulen. Schließlich in der letzten Schule traf er den guten Meister. Dieser begrüßte ihn und sie setzten sich an eine kleine Feuerstelle. Der gute Meister trank eine Tasse Tee, der einäugige Prophet aber fragte ihn bestimmt: „Was wäre ein guter Meister, wenn es keine schlechten Menschen gäbe?“ Der Meister streifte seinen grauen Bart überlegte, stellte besonnen die Tasse zu Boden und antwortete: „Wohl wahr! Er wäre nutzlos.“ Da schmerzte die Wunde am Auge des Propheten. Sein zugenähtes Auge vergoss Blut in ihn hinein. Er dachte lange nach bis er schließlich eindringlich sprach: „So will ich für euch der letzte schlechte Mensch unter allen guten Meistern werden.“ Der gute Meister streifte erstaunt seinen weißen Bart, der einäugige Prophet aber war schon auf seinem Weg. „Wie ist dein Name?“ rief der gute Meister in seiner Verzweiflung hinterher. Der einäugige Prophet aber ging schweigenden Schrittes davon. Sein Name, der genannt werden kann, wäre nie sein ewiger Name gewesen. Er aber wollte über seine Sterblichkeit hinaus nun auch der letzte schlechte Mensch werden und für immer bleiben, damit alle anderen Menschen gut sein können."

Das Schweigen kommt aus einer Frage, die letztlich in ihrer Antwort eine Entscheidung bergen würde. Die Entscheidung für das System des Propheten ist eine Ethische bezüglich aller Erkenntnisse aber hüllt er sich ins Schweigen.

Deuten wir desweiteren einige wenige Aphorismen, die uns überliefert sind aus dem großen Schatz seiner Reden:

"Das menschliche Leben selbst ist sich das Fernste."

Sich rein in das Leben zu bringen, ist für den Propheten Aufgabe. Der Prophet wird sich, wie wir nun schon festgestellt haben im Schweigen gerecht.

"Aber wo ist Schweigen, wo nicht die Frage des Menschen zugleich im Raume schwingt"

Das Leben des Menschen bringt Schweigen nur dann, wenn zugleich seine Frage dieses Schweigen in sich birgt
.
"Doch schon von Gedanken und Gefühlen zu reden, ist weltfremd."

Nur in der Frage kann das Gefühl Gedanke sein und der Gedanke Gefühl. Jegliche Trennung trennt den Menschen in sich selbst. Selbst wenn uns heute das Gefühl nahe steht, es ist doch schon ein in Gedanken gestütztes Systematisieren. Es steht fest reine Gedanken oder reine Gefühle lassen sich nicht erzwingen.

"Manche Menschen sind in ihrem Körper gelähmt, um über ihre Wirklichkeit hinaus zu wollen, bleiben aber bis zu ihrem Tod in sich verschlossen."

Für den Propheten ist schlussendlich klar, dass die Welt der Gefühle keine Wirklichkeit besitzen kann. Die Wirklichkeit kann nur in einer offenen Befreiung stattfinden, diese aber ist das schweigende Fragen.

"Wirklichkeit ist nur dort wo Menschen ihre Frage in die Welt tragen, so wie der Geschmack der Nahrung nur im Munde des Geschmacksuchenden, so wie die Farben nur im Auge der Farbsuchenden oder das Gefühl nur in denen die Gefühle suchen. Letztlich aber ist alles nur eine Suche nach Welt, die jedoch nur den Suchenden nach Welt sich offenbart."

"Der einäugige Prophet" ist also ein Zeugnis von der Geschichte eines Suchenden, eines Fragenden und eines Schweigenden. Wir können diesen Gedanken nicht systematisch fassen, da dieser das ganze schon auf einen Teil der Welt beschränken würde, aber wir dürfen Fragen stellen um sogleich in unserer Suche das Schweigen zu lernen.

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